„Energiediskurs 2025 in der Villa Gary“ Die energiepolitischen Vorgaben durch das EU – Recht und eventuelle Interpretationsspielräume Berlin, 10. März 2025 – Die Stimmen, die das Erreichen des Net-Zero-Ziels für 2045 für unrealistisch halten, werden immer zahlreicher. Erinnert sei an eine Ende 2024 vom VKU gemeinsam mit dem DIHK veröffentlichte Studie, in der diese Erkenntnis öffentlich gemacht wurde. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen des neuen Formates „Energiediskurs 2025 in der Villa Gary“ darüber diskutiert, welche Weichenstellungen bezüglich der CO2- Minderungsziele durch die neue EU – Kommission vorgenommen werden können und wie viel Spielraum für nationale Politikentscheidungen den Mitgliedsstaaten bleibt. Dr. Markus Pieper, EVP-Abgeordneter des Europäischen Parlaments von 2004 bis 2024, unterstrich ausgehend von den Aufgaben der EU laut EU – Vertrag (Versorgungssicherheit, Energienetze, EG für Kohle und Stahl, Kernenergie und Energieaußenpolitik), dass die EU – Vorgaben von den Mitgliedsländern generell akzeptiert würden und es faktisch wenig Kompetenzkonflikte gebe. So hätten die Mitgliedsstaaten bei der Liberalisierung, dem Kohleausstieg, den Einsparvorgaben und Zielpfaden für die CO2-Reduktionen und dem Ausbauvorgaben für die Erneuerbaren wenig Widerstand geleistet. Mit Blick auf die 2015 definierten Ziele (Diversifizierung der Energiequellen, Integrierter Energiebinnenmarkt, Energieeffizienz, Paris-Ziele und Forschung und Entwicklung) herrsche Konsens. Allerdings seien die auf diesen Zielen fußenden Instrumente sehr vielfältig, umfassend und weitreichend – erinnert wurde z.B. an ETS I und II, die Taxonomie, das Lieferkettengesetz, die Öko- Design – Vorgabe sowie an CSRD und CBAM – und wurden als Bürokratie- und Kostentreiber identifiziert. Die CO2-Reduktion sei z. B. gleich doppelt bzw. dreifach geregelt. Gleichwohl sei die EU-Klimaschutzpolitik erfolgreich gewesen und eine Entkopplung von CO2-Verbrauch und Wirtschaftswachstum gelungen. So sei das Wirtschaftswachstum seit 1990 um 70 Prozent gestiegen, die CO2-Reduktion [KP1] um von 37 Prozent; dies sei nicht nur in den EU-Mitgliedsstaaten, sondern auch in anderen Regionen dieser Welt gelungen. Unabhängig davon gelte nach wie vor, dass jeder Mitgliedstaat das Recht habe, die Bedingungen für die Nutzung seiner Energieressourcen selbst zu bestimmen und eine Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen und der allgemeinen Struktur seiner Energieversorgung treffen könne. Das Subsidiaritätsprinzip werde zu selten angewandt, und Deutschland leide vielmehr unter hausgemachten Standortnachteilen sowie darunter, positive EU – Vorgaben nicht genutzt zu haben. Dr. Pieper erinnerte beispielweise an die grüne EU – Taxonomie für Kernkraft und Gaskraftwerke oder mögliche Genehmigungserleichterungen durch die RED 3 und die EU – NotfallVO auch für Netze, die zu spät bzw. gar nicht umgesetzt worden seien mit dem Ergebnis, dass nun EU – Vorgaben für Strompreiszonen drohten und Deutschland als Preistreiber im EU – Strombinnenmarkt gelte. Dr. Pieper verwies ferner darauf, dass nach dem Ausstieg der USA mit verbindlichen Einsparzielen Australien, Kanada, Südkorea, Japan und die EU verblieben seien, die für nur 12,5 % der globalen CO2-Emission stehen. Damit ergebe sich die Frage, ob das Klimaschutzabkommen nach dem Ausstieg der USA ein „zahnloser Tiger“ sei. Mit Blick auf die künftigen Brüsseler Regulierungsmaßnahmen zeigte er sich zuversichtlich, dass die EU-Kommission die Zeichen der Zeit erkannt habe. U.a. verwies er auf das Aussetzen akut wettbewerbsschädlicher Gesetzgebung wie CBAM oder die veränderten Regelungen zu den CO2-Flottengrenzwerten. Demnach soll es für die Hersteller von Automobilen im Jahr 2025 keine Strafen mehr geben. Er erwarte zudem nicht, dass es zu einer Festsetzung bzw. Definition des Klimaschutzziels für 2040 kommen werde, soweit dies gesichtswahrend möglich sei. Die erforderlichen Mehrheiten im EP dafür seien nicht vorhanden und dies sei allseits bekannt. Prof. Dr. Johann Christian Pielow, Ruhr – Universität Bochum, betonte in seinem Vortrag, dass es nach dem europäischen Primärrecht durchaus beachtliche Spielräume für nationale Energie- und Klimapolitik gebe. Er verwies dabei u.a. auf Art. 194 und die Escape-Klausel des Art. 192 II c) AEUV. Diese Spielräume müssten aber auch genutzt werden, was durch Deutschland kaum geschehe. Er unterstrich, dass es den Mitgliedsstaaten z. B. möglich sei, ihren Energiemix selbst zu bestimmen. Allerdings habe die EU die Möglichkeit, durch das sektorspezifische Sekundärrecht Einfluss zu nehmen. Beispielhaft nannte er das EU – THG und seine Folgen, z. B. für Kohlekraftwerke. In diesen und weiteren Fällen, wie u.a. CBAM und das EU – ETS, sieht er kaum nationale Spielräume. Mit Blick auf die Umsetzung durch die nationale Politik identifizierte er, wie auch Dr. Pieper, Fälle von „Verschlimmbesserungen“. So habe die kriegsbedingte NotfallVO 2022 zur Absenkung von oftmals zu rigiden EU – umweltrechtlichen Vorgaben für Energieanlagen geführt, in der bislang vorliegenden Version des Clean Industrial Deals sieht er nur teilweise Schritte zur Deregulierung und Entbürokratisierung. In seinem Fazit bezog sich Prof. Dr. Pielow auf folgende Punkte: Mit Blick auf die vielen Krisen in der Welt werde es zunehmend wichtiger, dass die EU geschlossen auftrete und dass Deutschland mit einer starken deutschen Stimme mitspreche. Ferner werde ein umfassenderes energiepolitisches Regelwerk auf EU – Ebene benötigt. Gleichzeitig sei es zwingend geboten, Deregulierung und Entbürokratisierung ins Werk zu setzen. Mit Blick auf Deutschland empfiehlt er, dass eine Umsetzung der EU – Vorgaben mit dem Ziel, diese auf „Goldstandard“ anzuheben, zukünftig unterbleibt. Beide Vorträge wurden sodann anhand vorbereiteter Fragen in Kleingruppen und anschließend im Plenum diskutiert. Das aktuelle Factsheet Clean Industrial Deal der Kommission wurde dahingehend bewertet, dass die vorliegenden Vorschläge nicht ausreichend seien, die europäische und deutsche Wirtschaft weltweit wettbewerbsfähiger zu machen. So ziele das Finanzierungsinstrument der PPA´s auf den europäischen Markt und unterstütze europäischen Unternehmen nicht, weltweit wettbewerbsfähiger zu werden. Auch werde das Problem der hohen Betriebskosten bei den energieintensiven Industrien durch eine Bereitstellung von jährlich 100 Mrd. € europaweit für die Subvention von Investitionen nicht adressiert. Das eigentliche Problem seien die hohen Energiekosten; Abhilfe könne, wie vorgesehen, perspektivisch durch Kernkraftwerke geschaffen werden. Dabei stelle sich allerdings die Frage, ob bis dahin gewisse Branchen nicht bereits aus Europa abgewandert seien. Die jährliche, europaweite Installation von 100GW EE wurde als unrealistisch bewertet. Mit Blick auf die Frage, inwiefern die europäischen Vorgaben nationale Politiken einschränken, wurde festgehalten, dass das Spiel der Nationalstatten über die Institutionen „über Bande“ zukünftig unterbleiben sollte und verstärkt die Escape – Möglichkeiten nach Art. 194 im Vertrag von Lissabon angewandt werden sollten. Auch wurde deutlich gemacht, dass die neue Unabhängigkeit der BNetzA aufgrund des EuGH-Urteils die Handlungsspielräume der Entscheidungsträger in der neuen Bundesregierung einschränke. Dies müsse geändert werden, wenn es gelingen solle, die Energiepolitik neu auszurichten. Als Lösungsvorschläge auf nationaler Ebene wurden genannt die Abkehr vom „All-Electric Ansatz“, der Verzicht auf 100%- Lösungen, die Fokussierung auf kostengünstige und technologieneutrale Lösungen sowie pragmatisches Vorgehen. Darunter wollte man verstanden wissen, dass auch sogenannte „Blaue Lösungen“ wie blauer Wasserstoff oder entsprechendes Biogas akzeptiert werden sollten sowie die Anwendung des „Pareto-Prinzips“, wonach letzte Prozente bei der CO2- Minderung, die hier nur um den Preis der Deindustrialisierung erreicht werden können, woanders zu kompensieren sind. Abschließendes Fazit: Die neue Bundesregierung sollte sich für ein starkes, aber klares und weniger komplexes Europäisches Regelwerk, auch bezüglich energiepolitischer Themen, mit Nachdruck einsetzen, dabei auf den Interessensausgleich zwischen den Mitgliedsstaaten achten und gleichzeitig das Subsidiaritätsprinzip verstärkt anwenden. Bürokratisierung ist abzubauen. Dies kann nur gelingen, wenn den Unternehmen generell größeres Vertrauen entgegengebracht und ihre Eigenverantwortung gestärkt wird. Die Sichtbarkeit der politischen Verantwortung muss befördert werden. Wir danken den beiden Sprechern des Workshops, Prof. Dr. Johann Christian Pielow und Dr. Markus Pieper, für ihre Vorträge und die Diskussion. Die Präsentationen werden in Kürze auf der Website (Presse/Publikationen) zum Download zur Verfügung stehen. Über den Veranstalter des Energiediskurs 2025 Veranstalter ist die Berca GmbH, die konfessionell und parteipolitisch unabhängige Betreiberin der Villa Gary. Inhaltlich organisiert und durchgeführt wird der Energiediskurs 2025 von Dr. Annette Nietfeld, die über mehr als 20 Jahre Erfahrung als Geschäftsführerin des Forum für Zukunftsenergien verfügt, und Dr. Kai Uwe Pritzsche, der seit mehr als 30 Jahren als Wirtschaftsanwalt mit Schwerpunkt im Energiesektor tätig ist Kontakt über kai.pritzsche@plegal.de oder nietfeld@nietfeldberlin Die Diskursveranstaltungen finden in der Villa Gary statt, einer denkmalgeschützten Villa mit wunderschönem Garten in Berlin Lichterfelde-West, Unter den Eichen 91, 12205 Berlin. Sie steht als exklusiver Veranstaltungsort zur Verfügung, ist mit der heute notwendigen Technik ausgestattet und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. |