Dr.-Ing. Annette A.J. Nietfeld

Workshop 14.02.2025

Executive Summary


Nr. 25/01 vom 14.2.2025   „Energiediskurs 2025 in der Villa Gary“Wie realistisch ist das Net-Zero-Ziel für 2045?Berlin, 14. Februar 2025 – Die Stimmen, die das Erreichen des Net-Zero-Ziels für 2045 für unrealistisch halten, werden immer lauter. Erinnert sei an eine Ende 2024 vom VKU gemeinsam mit dem DIHK veröffentlichte Studie, in der diese Erkenntnis öffentlich gemacht wurde. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen des neuen Formates „Energiediskurs 2025 in der Villa Gary“ diskutiert, ob „Net Zero“ für 2045  tatsächlich realistisch ist und welche Korrekturen in der Energie- und Klimaschutzpolitik notwendig sind. An der Diskussion beteiligten sich Vertreter der Energiewirtschaft, der energieintensiven Industrie, der Wissenschaft und Juristen. 

Dr. Thomas Unnerstall, freier Wissenschaftler und Autor, wies darauf hin, dass die deutsche Klimaschutzpolitik nur einen von vier möglichen Ansätzen zur Emissionsminderung verfolge, nämlich die Substitution fossiler durch regenerative Energieträger, und im Gegensatz zu anderen Staaten andere Optionen zur CO2-Reduktion ausschließe. Folglich habe Deutschland zum einen sehr hohe Folgekosten zu tragen, die u.a. durch den enormen Netzausbau entstünden, zum anderen habe es sich entschieden, durch vorzeitige Stilllegung von Stromerzeugungs- und Netzkapazitäten volkswirtschaftliches und privates Anlagevermögen zu vernichten. Diese Strategie gehe zudem mit einer Ausweitung der regulatorischen Anforderungen an die Bürger und die Wirtschaft und einem hohen Subventionsbedarf bei gleichzeitig weiter steigenden Strompreisen einher. Vor diesem Hintergrund stellte Unnerstall die Frage, ob diese einseitige Allokation volkswirtschaftlicher Ressourcen verantwortbar sei und auch in Zukunft von der Bevölkerung akzeptiert werde. Dies gelte insbesondere wenn man bedenke, dass durch die Einbindung in den EU – ETS mit einer schnelleren CO2 – Minderung in Deutschland diese CO2 – Emissionen nur verlagert würden. Dabei sei der weitgehende Verlust der energieintensiven Industrien in Deutschland unvermeidlich. Unnerstall präsentierte einen umfassenden Vergleich der bisherigen tatsächlichen Entwicklungen mit den bisherigen Zieldaten der Energiewende. Diese Analyse zeigte, dass das Erreichen des NET ZERO-Ziels mit der derzeitigen Konzeption zwar theoretisch möglich sei, de facto aber bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts an den Realitäten scheitern werde. Auf die Frage, ob das NET ZERO-Ziel 2045 auch mit anderen Konzepten erreichbar sei, antwortete er, dass er eine Reduktion von 85 bis 90 % für möglich halte. Die Instrumente hierfür seien in erster Linie der ETS, die Entbürokratisierung aller Projekte, eine weitgehende Abschaffung regulatorischer Vorgaben (z.B. GEG), Vorgaben für das Inverkehrbringen von E-Fuels, der Aufbau einer CCS-Infrastruktur, temporäre Subventionen für die Ladeinfrastruktur und der Erhalt der Gasnetze. Bezüglich der verbleibenden 10 bis 15 % CO2-Emissionen sollte 2035/2040 entschieden werden, was zu tun ist. Angesichts des deutschen C02-Anteils von 1,3 % an den globalen Emissionen im Jahr 2023 sei dies vertretbar. Prof. Dr. Manuel Frondel, RWI und Ruhr-Universität Bochum, plädierte dafür, das Ziel der Klimaneutralität auf 2050 zu verschieben und verdeutlichte die immensen Anstrengungen, die mit dem Erreichen des Ziels für 2045 verbunden sind. Dabei wies er darauf hin, dass wir 33 Jahre Zeit hatten, um die Kyoto-Ziele zu erreichen, die zu einer Reduktion von 46 % führten, und uns nun nur noch fünf Jahre bleiben, um bis 2030 weitere 19 Prozentpunkte zu reduzieren. Mit Blick auf die globale Wirkung der deutschen Klimaschutzbemühungen verwies er auf das grüne Paradoxon, wonach in Deutschland eingesparte fossile Rohstoffe dem Weltmarkt zur Verfügung stehen und die Emissionen entsprechend woanders anfallen. Zudem verwies er auf die kontraproduktive Rückkopplung durch Carbon Leakage. Er zitierte Prof. Dr. Ockenfels, wonach Klima-Altruisten wie Deutschland durch ihren Aktionismus die Treibhausgasemissionen von Klima-Egoisten subventionierten. Die Lösung dieses Problems sieht er darin, dass Deutschland seine Klimaschutzbemühungen im Wege der Reziprozität von den Anstrengungen anderer wichtiger Staaten abhängig macht und außerdem in einem wirksamen globalen Klimaschutzabkommen. Die Vorteile einer zeitlich weniger ambitionierten Klimaschutzpolitik sieht

Prof. Dr. Frondel in Kosteneinsparungen im hohen dreistelligen Milliardenbereich, da Öl- und Gasheizungen, Erdgaskraftwerke und Millionen von Verbrennungsautos eine längere Lebensdauer hätten, d.h. die Ausgaben weniger abschreibungsintensiv seien. Außerdem käme es nicht zu Emissionsverlagerungen von Deutschland in die Europäische Union. 

Beide Vorträge wurden anschließend anhand vorbereiteter Fragen in Kleingruppen diskutiert.
Die Ergebnisse der Diskussion wurden anschließend im Plenum vorgestellt und diskutiert.

Einleitend wurde im Plenum festgestellt, dass trotz der wahrscheinlichen Zielverfehlung an den deutschen Klimaschutzanstrengungen festgehalten werden sollte, auch wenn die Ziele, die Instrumente und das Handeln im europäischen Kontext reformiert werden müssten. Als Kern des Problems der Energiewende wurde gesehen, dass mit der derzeitigen Konzeption versucht werde, das globale Problem des Klimawandels durch Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf nationaler Ebene zu lösen. Der Rigorismus, mit dem das derzeitige Konzept der Energiewende versucht, das Klimaschutzproblem zu 100 % national zu lösen, führe zu einer Überforderung des deutschen Staates und unserer Gesellschaft. Es sei aber möglich, dass nach dem Pareto-Prinzip, wonach 80 % eines Ziels häufig mit 20 % des Aufwands erreicht werden können, bis 2045 mit vertretbarem Aufwand eine Reduktion der Treibhausgasemissionen in Deutschland von 80 bis 90 % zu erreichen. Etwa 2025 bis 2040, wenn die Situation und die verfügbaren Technologien genauer abschätzbar seien, müsse entschieden werden, wie die zur Verfügung stehenden Mittel am besten verteilt werden können: Entweder indem die Emissionen in Deutschland mit sehr hohem Aufwand auf “netto Null” reduziert werden oder indem mit den vorhandenen Mitteln in anderen, ärmeren Ländern eine deutlich höhere Reduktion der Treibhausgasemissionen erreicht werden kann. Bilanziell hätte Deutschland dann sein Ziel erreicht. 

Unabhängig von diesen Grundsatzfragen gab es eine Reihe von konkreten Vorschlägen, über die weitgehende Einigkeit bestand. Dazu gehörte die Ausrichtung der Volkswirtschaft auf ein höheres Maß an Energieeffizienz ebenso wie die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten zur CO2-Minderung in Produktionsprozessen, die Abwärmenutzung sowie die Förderung der Geothermie, der CCS-Technologie und der Kernenergie. Eine große Chance, der Atmosphäre CO2 zu entziehen, wurde in einer optimierten Nutzung landwirtschaftlicher Flächen und der vermehrten Aufforstung gesehen. Abschließend wurde die Verantwortung der Politik betont, realistisch erreichbare Ziele zu setzen und für die notwendige Akzeptanz der verschiedenen Maßnahmen bei den Bürgern zu sorgen. 

Wir danken den beiden Sprechern des Workshops, Prof. Dr. Manuel Frondel und Dr. Thomas Unnerstall, für ihre Vorträge und die Diskussion. 

Die Präsentationen werden in Kürze auf der Website (Presse/Publikationen) zum Download zur Verfügung stehen.

Über den Veranstalter des Energiediskurs 2025

Veranstalter ist die Berca GmbH, die konfessionell und parteipolitisch unabhängige Betreiberin der Villa Gary. Inhaltlich organisiert und durchgeführt wird der Energiediskurs 2025 von Dr. Annette Nietfeld, die über mehr als 20 Jahre Erfahrung als Geschäftsführerin des Forum für Zukunftsenergien verfügt, und Dr. Kai Uwe Pritzsche, der seit mehr als 30 Jahren als Wirtschaftsanwalt mit Schwerpunkt im Energiesektor tätig ist.Kontakt über kai.pritzsche@plegal.de oder nietfeld@nietfeld.berlin Die Diskursveranstaltungen finden in der Villa Gary statt, einer denkmalgeschützten Villa mit wunderschönem Garten in Berlin Lichterfelde-West, Unter den Eichen 91, 12205 Berlin. Sie steht als exklusiver Veranstaltungsort zur Verfügung, ist mit der heute notwendigen Technik ausgestattet und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen.  

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